Das Programm
2022

Die Seminare

Grundlagen der Medizinethik – 04./05. März 2022, ONLINE

Das erste Seminar dient neben dem persönlichen Kennenlernen der Einführung in das ebenso facettenreiche wie faszinierende Feld der Medizinethik.

Im ersten Seminarteil untersuchen wir zunächst, was es eigentlich bedeutet, ethisch zu argumentieren. Denn von „Ethik“ ist zwar gern die Rede, doch näher besehen bleibt meist unklar, was damit gemeint sein soll. Das liegt auch daran, dass sich von der Antike bis zur Gegenwart mehrere ethische Strömungen entwickelt haben, die unterschiedliche Länder und Kulturkreise mit ihren jeweiligen Wertvorstellungen und Rechtsordnungen bis heute stark prägen. Wir werden diejenigen ethischen Konzepte, die für die therapeutische und klinische Praxis zentral sind, genauer kennenlernen und anhand von Patientengeschichten ihre jeweiligen Stärken und Schwächen herausarbeiten.

Aufbauend hierauf wenden wir uns im zweiten Seminarteil drei ethischen Leitbegriffen zu, um die die meisten ethischen Herausforderungen im Gesundheitswesen kreisen: Würde, Selbstbestimmung und Gerechtigkeit. Welche Wirkungsgeschichte verbirgt sich hinter diesen Konzepten und was genau bedeuten sie? Und vor allem: Wie können sie uns helfen, konkrete medizinethische Fragen zu strukturieren, zu entscheiden und zu bewältigen?

 

Dr. Philippe Merz studierte Philosophie und Germanistik an den Universitäten Freiburg, Basel und Wien. Anschließend forschte und lehrte er an der Universität Freiburg, wo er 2014 mit einer Untersuchung zur phänomenologischen Ehtik promoviert wurde. Bereits 2013 gründete er die Thales-Akademie, die er seitdem als Geschäftsführer leitet. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Medizin- und Wirtschaftsethik sowie in der Philosophie der Digitalisierung.

 

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Ökonomisierung der Medizin – 08./09. April 2022, ONLINE

In einem immer stärkeren Ausmaß prägt die Orientierung an Kosteneffizienz und Gewinnoptimierung das Gesundheitswesen und insbesondere die klinische Realität. Die finanziellen Mittel sind begrenzt, während die Kosten für die Gesundheitsversorgung weiter steigen. Der Druck, am Krankenbett zu sparen, wenn Diagnose und Patient/in wenig profitabel erscheinen, nimmt zu. Zugleich verändern finanzielle Anreize sowie Zielvereinbarungen in Ärzteverträgen auf schleichende Weise das sensible Vertrauensverhältnis zwischen Ärzt/in und Patient/in.

Welche konkreten Auswirkungen hat ein Vergütungssystem gemäß DRG auf die unterschiedlichen Berufsgruppen im Gesundheitswesen? Wie lassen sich die begrenzten finanziellen Mittel bei der Versorgung kranker Menschen gerecht verteilen? Und vor allem: Welche Möglichkeiten hat jede/r einzelne, mit diesen Rahmenbedingungen verantwortungsvoll umzugehen?

Im ersten Seminarteil werden wir die gegenwärtige Situation analysieren und uns zentrale gesundheitsökonomische sowie ethische Grundbegriffe erarbeiten. Im zweiten Teil untersuchen wir konkrete Verteilungsfragen, auf deren Basis wir uns im dritten Teil mit Verteilungskriterien wie dem Alter, der Kosteneffektivität und Anreizsystemen auseinandersetzen. Im letzten Teil werden die Ergebnisse zusammengetragen und individuelle Handlungsspielräume für den eigenen Alltag erarbeitet.

 

Prof. Dr. Markus Zimmermann studierte Theologie an den Universitäten Frankfurt am Main und Fribourg (CH), wo er promoviert wurde und sich habilitierte. Seit 2014 ist er Titularprofessor an der Universität Fribourg, zudem Vizepräsident der Nationalen Ethikkommission für Humanmedizin in der Schweiz. Markus Zimmermann forscht und lehrt zur Ökonomisierung des Gesundheitswesens sowie zur Ethik des Sterbens.

 

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Technisierung der Medizin – 06./07. Mai 2022

Technische und insbesondere digitale Hilfssysteme werden im medizinischen Alltag immer wichtiger, angefangen bei „intelligenten“ Systemen zur Entscheidungsfindung über die Tele-Medizin bis hin zu Operations-Robotern. Neben vielen Vorteilen, die diese Systeme für medizinische Tätigkeiten und ganze Organisationen bieten können, entstehen mit ihnen zugleich neue ethische und soziale Herausforderungen.

Im ersten Seminarteil sichten wir zunächst die wichtigsten technischen Entwicklungen der vergangenen Jahre – insbesondere Big Data, maschinelles Lernen und medizinische Robotik – und analysieren deren aktuelle sowie zukünftige Einsatzbereiche im Gesundheitswesen.

Im zweiten Teil diskutieren wir anhand zahlreicher Fallbeispiele die ethischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Spannungen, die der zunehmende Einsatz intelligenter Systeme in der Medizin erzeugt. Im dritten Teil erarbeiten wir konkrete Ansätze zu einem verantwortlichen Umgang mit diesen Systemen, von der Forschung und Entwicklung bis hin zur klinischen Anwendung im Alltag.

 

Dr. Philipp Kellmeyer ist Neurologe und Neurowissenschaftler in der Neurochirurgie des Universitätsklinikums Freiburg und zudem Lehrbeauftragter am Institut für Biomedizinische Ethik der Universität Zürich. Er erforscht die Anwendungsmöglichkeiten von Gehirn-Computer-Schnittstellen bei schwer gelähmten Patienten und setzt sich im Bereich der Neuroethik mit den ethischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen von Neurotechnologie, Big Data und intelligenten Systemen auseinander.

Technisierung der Medizin

 

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Ethische Herausforderungen am Lebensanfang – 24./25. Juni 2022

Die Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin werden seit langem kontrovers diskutiert. Das verwundert kaum, denn die rasante Entwicklung von Insemination und In-Vitro-Fertilisation, Pränataldiagnostik und Präimplantationsdiagnostik hat immer mehr Möglichkeiten geschaffen, die Entstehung und Entwicklung von menschlichem Leben zu ermöglichen, zu beeinflussen – oder auch zu beenden.

Allerdings sind diese Tendenzen nicht nur deswegen so umstritten, weil sie werdendes Leben in so hohem Maß unserer Verfügung unterstellen, sondern auch, weil sie uns mit grundlegenden Fragen konfrontieren: Wann beginnt menschliches Leben? Was ist der Mensch? Was bedeutet heute „Familie“? Und wie wollen wir mit gesellschaftlicher Diversität umgehen?

Im Seminar werden wir uns mit den derzeit bestimmenden ethischen Fragen und Argumenten vertraut machen. Dabei kommen sowohl individual- als auch sozialethische Positionen zur Sprache. Besonders herausfordernde Zukunftsszenarien wie etwa die

Gen-Editierung der Keimbahn sollen zudem aus verantwortungsethischer Perspektive betrachtet werden.

 

Prof. Dr. Claudia Wiesemann leitet das Institut für Ethik und Geschichte der Medizin an der Universitätsmedizin Göttingen. Sie ist Mitglied mehrerer Arbeitsgruppen der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und war bis 2020 stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrats. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören Autonomie und Vertrauen in der modernen Medizin sowie Elternschaft und Familie in der Reproduktionsmedizin.

Prof. Dr. Ulrike Salat ist Professorin für Molekularbiologie, Gentechnik und Humangenetik an der Hochschule Furtwangen. Durch ihre vorherige Tätigkeit in der pharmazeutischen Industrie und ihre humangenetische Expertise begleitet sie das Seminar mit naturwissenschaftlichem und praktischem Hintergrundwissen.

 

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Ethische Herausforderungen am Lebensende – 22./23. Juli 2022

Die Möglichkeiten der modernen Medizin führen dazu, dass Menschen immer seltener plötzlich sterben, sondern der Tod absehbar und erwartet eintritt. Damit häufen sich zugleich die bewussten Entscheidungen über die Begrenzung lebensverlängernder Maßnahmen oder das Zulassen des Sterbens. Diese Entscheidungen sind für die Betroffenen und deren Angehörige, aber auch für Ärzt/ innen und Pflegekräfte schwer und belastend.

Im Seminar analysieren wir daher zunächst das breite Spektrum von Entscheidungsmöglichkeiten am Lebensende und diskutieren deren ethische und rechtliche Hintergründe. Dabei zeigt sich auch, weshalb Patientenautonomie, Angehörigenbedürfnisse und ärztliches Selbstverständnis gerade am Lebensende stark kollidieren können.

Je nach Interesse der Teilnehmenden können wir anschließend verschiedene Fragen vertiefen, etwa den zwischenmenschlichen Umgang mit expliziten Sterbewünschen am Lebensende, die ärztliche Unterstützung bei der Selbsttötung von Patienten, den Unterschied zwischen behandlungsbedürftiger Suizidalität und einem selbstbestimmtem Todeswunsch, aber auch die Finessen von Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten sowie die palliative Sedierung.

 

Prof. Dr. Dr. Jochen Vollmann ist Direktor des Instituts für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin an der Ruhr-Universität Bochum. Er studierte Medizin und Philosophie, ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und wurde mehrfach für seine Lehrtätigkeit ausgezeichnet. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören neben den ethischen Fragen am Lebensende auch die ethischen Herausforderungen der Psychiatrie, Aufklärung und Einwilligung sowie die klinische Ethikberatung.

 

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Ethische Herausforderungen im Lebensverlauf – 16./17. September 2022

Zu den traditionellen Zielen der Medizin zählen die Vermeidung von Krankheit, die Linderung von Schmerzen und Leid, die Heilung und Pflege von Kranken sowie die Unterstützung bei einem friedlichen Tod. Das klingt vertraut und geradezu selbstverständlich – doch sobald wir diese Ziele umsetzen wollen, stehen wir vor weitreichenden Fragen: Wer ist eigentlich „gesund“ und wer „krank“? Wie weit reicht der Auftrag der Medizin, Leiden zu lindern? Wer definiert einen „friedlichen Tod“?

Wie wir diese Fragen beantworten, hängt nicht nur vom jeweiligen Stand der Wissenschaft ab, sondern mindestens ebenso sehr von unserem Menschenbild, von gesellschaftlichen Normen und kulturellen Wertvorstellungen.

Im Seminar widmen wir uns daher unterschiedlichen Konzepten von „Gesundheit“ und „Krankheit“ und schärfen so zugleich den Blick für unsere eigene Gegenwart. Damit eng verbunden ist die Frage, wie die Medizin sich selbst versteht und wie sehr sie versucht, die immer perfektionistischeren Wünsche der Menschen zu erfüllen oder diese sogar zu verstärken, sei es durch Anti-Aging- und Enhancement-Angebote oder das Einfrieren weiblicher Eizellen für die spätere Befruchtung. Diese Beispiele zeigen, wie sehr wir mittlerweile dazu neigen, Unzulänglichkeiten, Gebrechen und Leid zurückzudrängen oder sogar ganz zu überwinden. Was verrät diese Dynamik über den Wandel in unserem menschlichen Selbstverständnis und unserem Verständnis des „guten Lebens“? Und wie wirken sich diese Einstellungen auf unsere Lebensführung und unseren Umgang mit Patient/innen, Kund/innen oder Kolleg/innen aus?

 

Prof. Dr. Claudia Bozzaro ist Philosophin und Medizinethikerin an der Universität Kiel. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen Reproduktionsmedizin, Ethik des Alterns, Konzepte von Schmerz und Leiden, Ethikberatung und ethische Problemfelder am Lebensende. Im Jahr 2013 erhielt sie den Nachwuchspreis der Akademie für Ethik in der Medizin und im Jahr 2017 den Albert-Bürklin-Preis der Wissenschaftlichen Gesellschaft Freiburg.

 

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Methoden ethischer Entscheidungsfindung – 04./05. November 2022

In Einrichtungen der Gesundheitsversorgung wie Krankenhäusern und Pflegeheimen treten medizinethische Konflikte besonders häufig auf. Um diesen zunehmenden Bedarf an ethischer Konfliktlösung und Orientierung zu bewältigen, haben sich im Lauf der vergangenen Jahre spezielle Beratungsgremien etabliert. Das am häufigsten konsultierte Gremium ist das Klinische Ethikkomitee. Allerdings variieren die Methoden dieser Ethikkomitees im deutschsprachigen Raum teils erheblich. Hierin drückt sich nicht nur ein unterschiedliches Verständnis von Medizinethik sowie guter Ethikberatung aus; diese Unterschiede beeinflussen auch das konkrete Beratungsergebnis.

Im Seminar verschaffen wir uns daher einen umfassenden Überblick über die unterschiedlichen Modelle der Ethikberatung und schärfen den Blick für ihre jeweiligen Vor- und Nachteile anhand praktischer Beispiele.

Auf diesem Weg zeigt sich, wie wichtig eine qualifizierte Ethikberatung für alle Verantwortungsträger/innen im Gesundheitswesen, aber auch für Patient/innen und ihre Angehörigen sein kann – und wie sie bei der Bewältigung wiederkehrender ethischer Herausforderungen im Spannungsfeld von Patientenautonomie, therapeutischem Selbstverständnis und begrenzten Mitteln helfen kann.

 

Dr. Gerald Neitzke ist Arzt und Mitarbeiter am Institut für Ethik, Geschichte und Philosophie der Medizin an der Medizinischen Hochschule Hannover. Dort leitet er die AG Klinische Ethik und ist Vorsitzender des Klinischen Ethik-Komitees. Sein Schwerpunkt liegt neben der Klinischen Ethik und Ethikberatung, insbesondere auf Fragen der Ethik am Lebensende. Er ist Vorstandsmitglied der Akademie für Ethik in der Medizin und Mitglied im European Clinical Ethics Network.

 

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